Fuld, Werner by Buch der verbotenen Bucher Das

Fuld, Werner by Buch der verbotenen Bucher Das

Autor:Buch der verbotenen Bucher Das
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-04-27T20:52:05+00:00


Lolita hatte Folgen. Im britischen Unterhaus lag ab September 1958 ein neuer Entwurf für ein Pornographie-Gesetz vor, um den monatelang mit Erbitterung gestritten wurde, und Lolita war der Probierstein, an dem sich das Gesetz zu bewähren hatte – so sahen es die Gegner und auch die Befürworter. Der Verlag Weidenfeld and Nicolson hatte die englischen Rechte erworben und sich vertraglich verpflichtet, das Buch auch vor Gericht zu verteidigen. Als Weidenfeld den Vertrag im November bekannt gab, äußerte ein Kollege gegenüber der Presse, dies bedeute eine sechzigprozentige Chance, ins Gefängnis zu kommen. Der Mitinhaber Nigel Nicolson musste als konservativer Abgeordneter im Parlament die Verlagsentscheidung gegen seine Parteifreunde verteidigen und bekam deswegen Ärger mit seinem Wahlbezirk. Später entzogen ihm die Wähler den Parlamentssitz. Auch in seiner Familie gab es Zwist, denn die Eltern, Sir Harald Nicolson und Lady Sackville-West, waren strikt gegen die Veröffentlichung von Lolita.

Der neue Gesetzentwurf sah nicht nur vor, dass ein Werk als Ganzes und nicht nach einzelnen »Stellen« beurteilt werden sollte, sondern er ließ auch Gutachten von Experten zu. Unsittliche Bücher könnten erlaubt werden, wenn die Experten nachwiesen, dass sie von literarischem Wert seien. Deshalb setzte Weidenfeld mit seiner Verlagsstrategie auf bekannte Autoren, die einen gemeinsamen Brief für die Times verfassten: »Wir sind beunruhigt über die Anzeichen, dass es vielleicht noch immer nicht möglich ist, Vladimir Nabokovs ›Lolita‹ in einer englischen Ausgabe zu veröffentlichen ... Die Verfolgung von Literatur schadet den Regierungen und sät Misstrauen in der Öffentlichkeit. Wenn man heute die Prozesse nachliest, die gegen ›Madame Bovary‹ oder ›Ulysses‹ angestrengt wurden – Werke, die viele Zeitgenossen als schockierend empfanden–, dann sind es Flaubert und Joyce, die wir heute bewundern und nicht ihre Zensoren.« Weidenfeld sammelte positive Reaktionen aus neun Ländern und druckte sie als Vorsichtsmaßnahme im Anhang von Lolita, die am 6. November 1959 offiziell ausgeliefert werden sollte. Am Vorabend gab es eine Präsentation im »Ritz«, zu der Hunderte Journalisten und Abgeordnete erschienen. Im Lauf des Abends erhielt Nicolson den Anruf eines Angestellten aus dem Innenministerium: Die Regierung hatte beschlossen, Lolita nicht anzuklagen – gleichwohl durfte das Buch in den Commonwealth-Staaten Australien, Neuseeland und Südafrika nicht eingeführt oder verkauft werden. In England war die gesamte Auflage bereits am Tag der Auslieferung vergriffen.

Durch diesen Präzedenzfall ermutigt, wagte im Jahr darauf der Verlag Penguin Books die Publikation der seit 1953 verbotenen ungekürzten Fassung von Lady Chatterley und wurde von der Krone sofort wegen der Verbreitung von Pornographie angeklagt. Aufgrund des neuen Gesetzes wies das Gericht die Klage ab. Die Freigabe dürfte dem Ansehen des Autors D.H. Lawrence eher geschadet haben, denn nun war sein reaktionärer Sexualkitsch der allgemeinen Lächerlichkeit preisgegeben. Eben noch skandalumwittert – plötzlich out of mode: Die Umbettung ins Mausoleum der Klassiker erfolgte ohne große Anteilnahme des Publikums.



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